Stand: 27.08.2020
Jahr für Jahr landet immer mehr Plastikmüll in der Umwelt. Grund sind die Kunststoffe für Produkte sowie Verpackungen. Eine neue Studie zeigt auf, was wir tun können und müssen, um bis zum Jahr 2040 nicht in Plastik zu ertrinken.
Ein internationales Forscherteam hat sich auf die Suche nach einer Lösung gemacht, wie die Menschheit diesem wachsenden Problem entgegentreten könnte.
Die Wissenschaftler entwickelten mit Datenmodellen fünf verschiedene Szenarien, wie sich die Menge an Kunststoffmüll bis ins Jahr 2040 entwickeln könnte – je nach ergriffenen Maßnahmen:
Der Abweichung zwischen den einzelnen Szenarien erwies sich in der Hochrechnung auf die nächsten zwanzig Jahre als extrem.
Bleiben die Menschen bei ihrem Umgang mit Plastik weiter so wie bisher, wird sich die jährliche Menge an Plastikmüll, die im Meer landet, bis ins Jahr 2040 um das 2,6-fache erhöhen. Auf dem Land würde sich Kunststoffabfall in der Umwelt sogar ums 2,8-fache steigern. Die derzeit von der Politik angedachten Maßnahmen könnten diese Zahlen nur um rund sieben Prozent senken.
Der einflussreichste Faktor auf die Menge an Plastikmüll ist die Herstellung an frischen, neuen Kunststoffen für Produkte und Verpackungen. Die Plastikproduktion steigt stetig an und wird durch den globalen Bevölkerungszuwachs und fortschreitende Modernisierung in Drittwelt- und Schwellenländern weiter zunehmen. Studien prognostizieren eine Verdoppelung der Kunststoff-Herstellung bis 2050, wenn die momentanen Steigerungsraten anhalten. Deutschland ist beim Verbrauch von Plastik europaweit an der Spitze. Laut einer Studie von 2018 landen hier fast eine halbe Million Tonnen Plastik pro Jahr in der Umwelt.
Unvorhergesehen Ereignisse wie etwa die aktuelle Covid-19-Pandemie lassen den Kunststoff-Konsum noch steigen, da mehr Hygiene-Produkte verbraucht werden, die ihrerseits in Kunststoff verpackt sind.
Nach Ansicht von Winnie Lau von der US-amerikanischen Umweltschutz-NGO Pew Charitable Trusts, Hauptautor der Studie, gibt es mehrere Möglichkeiten, das Problem Plastikmüll zu bekämpfen.
Einsammeln und Entsorgen ist eine wichtige Maßnahme, um die Menge an Kunststoff, die am Ende in der Umwelt landet, deutlich zu reduzieren, so die Studie. Viele Menschen werfen schon ihren Plastikmüll in gelbe Säcke oder Tonnen, damit der Kunststoff wieder recycelt werden kann. Das ist aber eben nicht überall so. Die Abfallsammelquoten müssten insbesondere in Ländern mit mittlerem und geringem Einkommen deutlich ausgeweitet werden. In den nächsten zwanzig Jahren müssten über eine Milliarde Haushalte weltweit an die Abfallentsorgung erst angeschlossen werden, jede Woche mehr als eine Million Haushalte. Dann würde der Plastikmüll wenigstens nicht mehr in der Umwelt landen, sondern zumindest auf Müllhalden oder in Verbrennungsanlagen.
Die Kosten für diese Maßnahme seien allerdings unter allen in der Studie betrachteten die höchsten. Zudem sei die Abfallwirtschaft global betrachtet nicht in der Lage, die anfallenden Mengen an Plastikmüll zu entsorgen.
Zugleich plädieren die Forscher dafür, das Problem mit Plastikmüll nicht einfach in andere Länder zu verlagern. Bisher exportieren reichere Länder ihn in ärmere Länder. Denn dort sei die Abfallwirtschaft zum Teil nicht einmal in der Lage, den eigenen Kunststoffmüll zu entsorgen oder gar zu verwerten.
Plastik ist ja auch ein Rohstoff. Deshalb wäre es eine deutlich günstigere Maßnahme im Kampf gegen den Plastikmüll das verstärkte Recycling von Kunststoffen. Somit könnte man Müll abbauen und zugleich die Menge an neu produziertem Kunststoff senken. Doch dazu muss die Quote beim Recycling deutlich erhöht werden. Denn auch bei uns wird nur ein Bruchteil des Kunststoffes wiederverwertet, den wir brav in gelbe Säcke und Tonnen stopfen.
Für das Kunststoff-Recycling wäre es wichitg, dass Plastikprodukte möglichst nur noch aus einem Kunststoff hergestellt werden, nicht mehr aus mehrschichtigem Plastik oder Verbundstoffen, die kaum verwertbar sind, weil man sie bestenfalls mit sehr hohem Aufwand wieder trennen kann.
Das dritte Szenario, dass die Wissenschaftler für die Studie durchrechneten, war “Verringern & Ersetzen”.
Durch den Verzicht auf viele Kunststoff-Verpackungen, durch Mehrweg- statt Einwegprodukte oder durch den Einsatz anderer Materialien wie Papier oder kompostierbaren Kunststoffen könnte viel der Plastik-Umweltverschmutzung verhindert werden, so die Studie.
Es könnte so gelingen, im Jahr 2040 mit weniger als der Hälfte neuen Kunststoffes auszukommen als wenn es so weiter geht wie aktuell. Das wären elf Prozent weniger neues Plastik als im Jahr 2016.
Was von den Autoren außeracht gelassen wird, ist die Berechnung von auf Probleme, bei der Frage, ob Papier statt Plastik eine sinnvolle Lösung sein kann, wenn die Wälder zugleich gerade durch den Klimawandel geschwächt sind.
Auch die Entwicklung neuer Materialien, etwa besser kompostierbaren Kunststoffen, wird nur gestreift. Doch sie betonen, dass Innovationen wichtig sind, um dem Plastik-Problem zu begegnen.
Keine der durchgerechneten Maßnahmen bringt alleine eine wesentliche Verringerung der Menge an Plastikmüll. Die Wissenschaftler können lediglich aufzeigen auf, wie es gelingen kann, dass in zwanzig Jahren die Menge an Plastikmüll, die in der Umwelt oder im Wasser landet, um 80 Prozent niedriger ist, als wenn wir einfach weitermachen wie bisher. Und das mit bestehendem Wissen, Können und Mitteln.
Die untersuchten Interventionen sind alle mit vorhandenen und bereits ausgereiften Technologien erreichbar und liegen so bereits innerhalb unserer Möglichkeiten. Es erfordert jedoch den politischen, gesellschaftlichen und unternehmerischen Willen, um dies zu erreichen.
Die Lösung ist unbequem: Es müssten alle untersuchten Maßnahmen zugleich angewandt werden, um das Plastikmüll-Problem in den Griff zu kriegen, so die Wissenschaftler. Das Einsammeln und Entsorgen von Kunststoff-Abfällen durch die Abfallindustrie muss weltweit ausgebaut und verbessert werden, die Recycling-Quoten erhöht werden und vor allem von vorneherein weniger neuer Kunststoff produziert werden. Dieses Szenario wird von den Autoren als Systemwechsel bezeichnet.
Aber das ist wichtig. Viel zu lange haben viel zu viele nicht den Ernst der Lage erkannt oder sich diesem gestellt. Es hat sich nichts Signifikantes geändert. Mit ein wenig bisschen Recycling ist es leider nicht getan. Mit dem Verbieten von Wattestäbchen und Einweggeschirr haben wir das Problem noch lange nicht im Griff.
Die Autoren schreiben von der Wichtigkeit die nötigen Maßnahmen schnellstmöglich zu ergreifen und umzusetzen. Selbst wenn die globale Politik noch 2020 damit anfängt, gelangen bis ins Jahr 2040 weitere 710 Millionen Tonnen Plastikmüll in die Umwelt, 250 Millionen Tonnen davon landen im Meer. Würde die Menschheit aber nur fünf Jahre länger warten, werden es noch 300 Millionen Tonnen mehr sein.
Quelle:
Planet Plastik: Wie die Kunststoffwelle gestoppt werden kann. Winnie Lau et.al., Studie veröffentlicht am 23. Juli 2020 im Fachmagazin Science
MARC MAXWELL