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NBA gegen Rassismus

Stand: 30.08.2020

Mehrfach hatte ein Polizist dem Schwarzen Jacob Blake letzten Sonntag in den Rücken geschossen. Zwei seiner vier Kinder saßen in dem Auto, in das Blake steigen wollte, als die Schüsse abgefeuert wurden. Nach Angaben seiner Familie und Anwälte wird er womöglich nie wieder gehen können.

Eine Geste mit historischer Dimension

Nach diesen Polizeischüssen in Wisconsin sagt die US-Basketballliga NBA am Mittwoch alle Spiele ab. Es ist eine Geste mit historischer Dimension, die sich abhebt vom heuchlerischen Gerede anderer Sportverbände.

Zuerst weigerten sich die Milwaukee Bucks, die ihre Heimspiele im Bundesstaat Wisconsin austragen, das Spielfeld gegen Orlando Magic aus Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt zu betreten. In einem Statement, das die Spieler verlasen, heißt es: “Trotz der überwältigenden Plädoyers für Veränderungen hat es keine Handlungen gegeben. Unsere Konzentration kann deswegen heute nicht dem Basketball gelten. Wenn wir auf dem Platz stehen und Milwaukee und Wisconsin repräsentieren, wird von uns das höchste Niveau erwartet, dass wir alles geben und uns gegenseitig in die Verantwortung nehmen. Wir erfüllen diesen Standard und fordern das gleiche von unseren Gesetzgebern und der Strafverfolgung.” Die Spieler brachten damit etwas Großes in Gang.

Der Protest ist historisch

Der Protest im US-Sport ist historisch: Er setzt dem Märchen ein Ende, dass Sport und Politik getrennt sein müssen.

“Don’t mix sports with politics” ist eine Grundregel des IOC, und sie wird immer dann verwendet, wenn den Mächtigen beider Bereiche eine Vermischung nicht in den Kram passt. Wenn der Footballspieler Colin Kaepernick während der US-Hymne kniet, um gegen Polizeigewalt zu protestieren. Wenn Bundesliga-Fußballer auf T-Shirts gegen Rassismus demonstrieren, wird durch dem deutsche Verband DFB ermittelt. Sportler sollen Spektakel liefern, aber ansonsten brav sowie still sein. Störgeräusche sollen vermieden werden.

Die Strippenzieher im Profisport sind Meister darin, ihre Disziplinen mit Politik zu vermischen, solange es dem Image und der Steigerung der Einnahmen dient; im Gegenzug dürfen sich Politiker im Glanz der schönen Bilder sonnen, die der Sport produziert. Wenn es jedoch darum geht, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und Position zu beziehen, dann verweist der Sport gerne darauf, keinesfalls politisch sein zu wollen. Es gibt vielleicht mal eine Gedenkminute, das war es dann meist aber auch schon. Jeder Fan, der sich abwenden würde, bedeutet weniger Einnahmen.

Doch wer allen gefallen will, gefällt irgendwann keinem mehr. Wer nie Stellung bezieht, wird beliebig und bedeutungslos.

Es ist deshalb historisch, was am Mittwoch im amerikanischen Sport passiert ist. Zuerst hatte die Basketball-Liga NBA alle drei Playoff-Partien abgesagt, die für diesen Tag anberaumt waren, es folgte die Frauenliga WNBA mit ebenfalls allen drei Spielen. Die MLB (Baseball) verschob drei Partien, die MLS (Fußball) gar fünf. Beim Tennisturnier in New York wurden alle für Donnerstag angesetzten Matches verlegt. Es ist ein klares Zeichen des Sports, dass es politisch so nicht weitergehen darf in diesem Land.

NBA vor dem Abbruch

Aus dem Umfeld der NBA heißt es sogar, dass der Abbruch der kompletten Saison möglich sei. Es ist eine Geste, die von der Dimension her an Tommy Smith und John Carlos erinnert, die bei den Olympischen Spielen 1968 ihre Fäuste in den Himmel reckten, als die US-Hymne gespielt wurde. Sowie an Muhammad Ali, der 1966 den Kriegsdienst verweigerte und dafür verhaftet wurde.

Es sind keine Einzelsportler mehr, die protestieren, sondern Klubs, Ligen, Profiorganisationen. Ob man diese Haltung mag oder nicht: Sie setzt dem Märchen ein Ende, dass Sport und Politik getrennt seien, denn das sind sie nicht. Sportler liefern Spektakel, sie verfügen aber auch über Stimmen, die millionenfach gehört werden.

“Wir reden über Veränderungen”, sagte Fred VanVleet vom Titelverteidiger Toronto Raptors am Dienstag: “Aber irgendwann müssen wir unsere Chips auf den Tisch legen und riskieren, dass wir etwas verlieren.” Wie z.B. Fans, die diesen Boykott nicht begrüßen, Sponsorenverträge und TV-Gelder.

Die NBA ist eine der mächtigsten Sportligen der Welt, ihr Einfluss erreicht über Sneakers, Musik, Twitter-Einträge und gesellschaftliches Engagement weite Teile. Am Mittwoch blieben Bildschirme in mehr als 200 Ländern dunkel oder zeigten Bilder von Sportlern, die protestierten. Es ist ein Protest, der nicht ignoriert oder abgetan werden kann.

MARC MAXWELL