Deutschland gilt als Land der Fleischliebhaber, doch die Verbraucher greifen immer mehr zu Alternativen. Der Appetit auf fleischlose Leckereien wächst. Im ersten Halbjahr 2020 kauften sie teils doppelt so oft vegetarische sowie vegan Ersatzprodukte. Der Wurstwarenhersteller Rügenwalder Mühle verzeichnete in den vergangenen Monaten teils Umsatzzuwächse von bis zu 100 Prozent bei seinen fleischlosen Alternativprodukten. Auch der Konkurrent Wiesenhof stellt fest, dass der Markt für vegetarische und vegane Produkte in diesem Jahr herausragend wächst. Der Bruzzler Veggie liegt gegenüber dem Vorjahr mit über 44 Prozent Absatzzuwachs deutlich im Plus. Auch der Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé steigerte im ersten Halbjahr 2020 seinen Umsatz mit pflanzenbasierten Produkten um 40 Prozent.
Schon in den Jahren 2018 und 2019 verzeichneten Nahrungsmittel auf Pflanzenbasis ein starkes Wachstum, wie aus einer im vergangenen Jahr vorgestellten Studie des Investorennetzwerks FAIRR-Initiative hervorgeht.
Am weltweiten Umsatz machen die Fleischalternativen nur einen kleinen Anteil am weltweiten Umsatz aus, sie wachsen aber überdurchschnittlich im Vergleich zum konventionellen Fleischsektor. Der Fleischsektor legte zuletzt um sechs Prozent zu, die fleischlosen Alternativen um 25 Prozent im vergangenen Jahr.
Der größte Markt in Deutschland seien bislang die pflanzlichen Milchalternativen. Dieser werde auf rund 10 Prozent geschätzt, mit stark steigender Tendenz. Der Marktanteil von pflanzlichen Wurst- und Fleischalternativen liege noch darunter. Doch in den kommenden Jahren gehen Experten davon aus, dass dieser Markt mit zweistelligen Zuwachsraten im mittleren Bereich weiter kräftig zulegt.
Fleischlose Burger oder vegane Wurst verschwinden aus der Nische und sind nun bei der Masse angekommen. Jeder Zulieferer und jeder Maschinenhersteller stelle sich auf diese Marktveränderung ein.
Die Klimadebatte spiele ebenso hinein wie die jüngste Diskussion über die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. Fleisch und andere Massentierhaltungsprodukte schädigen das Klima, mit 18 Prozent sogar deutlich mehr als der gesamte Straßen- und Flugverkehr. Auch Corona hat die Menschen zum Nachdenken gebracht.
Um wirklich zu mehr Nachhaltigkeit in der Lebensmittelherstellung zu kommen, müsste die Branche allerdings noch weiter gehen. Die Digitalisierung sollte dafür genutzt werden, den Verbrauchern mehr Informationen über die Produktionsketten zu geben, einen Art Öko-Score.
Es wäre wünschenswert, wenn dem Verbraucher schon auf der Verpackung klar gesagt würde, wie viel Kohlendioxid (CO2) oder wie viel Wasser für die Produktion des Nahrungsmittels aufgewandt wurde.
Jetzt sind die Politiker gefragt.
MARC MAXWELL